Was Stoizismus alles NICHT ist und warum das wichtig ist

Die Stoizismus-Entlarvung

Eine kleine Geschichte zum Anfang?

Klingt gut? Los geht’s.

In einem idyllischen Garten lebten fiel eines Tages ein unbekanntes Objekt vom Himmel, das sie noch nie zuvor gesehen hatten. Es war groß, rund und glänzend. Eine Kugel, in der sich das Licht wunderschön brach.

Die Ameise fragte: „Was könnte das sein?“ Ein Regenwurm steckte den Kopf aus der Erde und sagte: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, es ist ein leuchtender Kristall, der uns Glück bringen wird.“

Der Grashüpfer, der misstrauisch war, sagte: „Nein, das kann nicht sein! Es sieht aus wie ein gefährlicher Gegenstand, der uns verletzen könnte.“

Und so begannen sie darüber zu streiten, was dieses Objekt sein könnte.

„Das ist bestimmt ein Zauber-Geschenk der Götter, das uns Segen bringen wird!“

„Es scheint wie ein glitzernder Meteorit, der aus dem All gefallen ist.“

„Das ist sicherlich ein gefährliches Ding, das uns schaden könnte! Wir sollten uns von dem Gift fernhalten!“

So fragten sie die Garten-Älteste, eine Hummel um Rat. Sie flog eine Runde um die Kugel, landete und sagte: „Ach, das ist nur eine Murmel. Die ist dem kleinen Menschenkind runtergefallen. Passiert öfter.“

Der Schleier, der uns die Sicht eintrübt

Die Dinge sehen, wie sie sind.

Es klingt so einfach und ist doch so schwer, weil uns unsere Erwartungen, Hoffnungen, Vorerfahrungen, Prägungen wie Schleier das Sichtfeld eintrüben.

Sie tun das auch notwendigerweise. Lernen durch Erfahrung ist nichts anderes als dass wir Vergangenes, also Gelerntes, in Bezug setzen zu dem, was wir in der Gegenwart tun, sehen oder denken und daraus Schlüsse ableiten, die sich bereits einmal bewährt haben.

Und oft ist das sehr hilfreich.

Dass wir wissen, dass wir an einer Ampel die Rot zeigt zu halten haben, hat sich als vorteilhaft für uns bewiesen. Darüber jedes Mal neu nachdenken zu müssen, wenn Du an eine Kreuzung kommt, ergibt keinen Sinn und würde einen gedanklichen Mehraufwand bedeuten. Allerdings sind wir als Menschen mit unseren Wahrnehmungen, Handlungen und unseren Verhaltensweisen im Alltag immer darauf ausgerichtet, Energie einzusparen und jeden Extra-Aufwand zu vermeiden. Insofern nehmen wir im Falle der Ampel diese „Eintrübung“ gerne in Kauf, weil sie sich als nützlich herausgestellt hat und zu nachweislich guten Ergebnissen führt.

Es gibt aber auch Eintrübungen, die uns nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Dass Du jahrelang in einer ungünstigen Beziehung verbringst und Du nicht erkennen kannst oder erkennen willst, dass sie Dir nicht guttut. Das ist in meinem Fall beispielsweise so gewesen.

Oder dass Du einem Job nachgehst, der nicht Deinen Neigungen und Interessen entspricht.

Dass Du mit angeblich besten Freunden Zeit verbringst, weil man das ja halt so macht, dabei hindern Dich genau diese Freunde daran zu wachsen und Dich zu entwickeln.

So kannst Du Dich schulen, klarer zu erkennen

Das Leben ist die Summe der Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen – im Kleinen wie im Großen. Stimmt die Richtung, in die Du gehst, wirst Du – egal, wie die Umstände auch sind – früher oder später gute Ergebnisse erzielen. Es kann nicht anders sein.

Aber wie kannst Du Dich darin schulen, die Dinge klarer zu erkennen? Wie kannst Du falsche Fährten erkennen, schlechte Entscheidungen revidieren und Deinen Kurs korrigieren. Wie kannst Du zur Hummel werden und Altglas von magischen Zauberkugeln unterscheiden?

Entlarve Dich selbst mit der Technik der negativen Umkehrung

Die negative Nachricht: Es ist schwierig, dafür Zeit, Raum, Geduld und Energie aufzubringen.

Die positive Nachricht: Es ist möglich.

Du kannst Dir also – so wie die Ameise und der Grashüpfer – Hilfe suchen, dadurch Deine Perspektive ergänzen um eine weitere Perspektive, die idealerweise erfahrener, umsichtiger, klüger, also kurzum weiser ist als Du.

Das ist gut, reicht aber nicht. Weil das Leben eben keine kleine Fabelgeschichte musst Du letztlich die Lösungen in Dir selbst suchen und finden.

Entlarve Dich selbst – sei Detektiv in eigener Sache.

Erstelle eine Was-nicht-ist-Liste

Um Deine Situation, Dein Handeln und Verhalten – oder das anderer – erkennen und überhaupt erstmal einmal beschreiben zu können, hilft die Technik der negativen Umkehrung der Dinge.

Frag gezielt und so lange es geht danach, was alles nicht ist, um herauszubekommen, was ist.

Mir hat diese Technik schon oft geholfen, um Klarheit zu gewinnen.

Wenn Du dann siehst, dass auf dieser Was-nicht-ist-Liste genau diejenigen Dingen stehen, die Dir wichtig sind im Leben, kannst Du handeln, Dein Verhalten ggf. ändern, Entscheidungen treffen.

Du kannst die negative Umkehrung auf alle Bereiche Deines Lebens anwenden.

So kannst Du prüfen, ob Stoizismus etwas für Dich ist

Über den Stoizismus kursieren teils eigenartige Mythen, daher ist klares Sehen wichtig.

Wenn Du Dich also fragst, ob Stoizismus etwas für Dich ist, Deine Lebensführung bereichern könnte, dann kannst Du negativ umkehren und zuerst fragen, was Stoizismus alles nicht ist.

Dazu fallen mir vier Punkte.

Erstens: Stoizismus ist keine Theorie

Anders als beispielsweise der Marxismus ist Stoizismus kein geschlossenes Gedankengebäude, das die Welterklärung zum Ziel hat. 

Stoizismus ist mehr ein Werkzeugkasten für das Leben als ein festes Theoriesystem. Er bietet praktische Richtlinien, wie man mit den Herausforderungen des Lebens umgehen kann, anstatt eine umfassende Theorie über die Funktionsweise des Universums zu entwickeln.

Stoizismus will nicht die Welt erklären

Die stoische Philosophie ist flexibel und passt sich den individuellen Lebensumständen an, anstatt starre Regeln oder feste Lehren zu predigen.

Stoizismus will nicht die Welt erklären, sondern vielmehr, wie man auf die Welt, in der man lebt, reagiert und wie man sein eigenes Denken und Handeln kultivieren kann, um ein tugendhaftes und erfülltes Leben zu führen.

Zweitens: Stoizismus ist keine Religion

Es gibt keinen Gott, keine Götter, Gebete, Glaubenssätze oder Symbole im Stoizismus: weder eine Heilige Schrift noch Rituale erst recht keine übernatürlichen Wesen. Es geht nicht um die Verehrung einer höheren Macht oder um das Befolgen bestimmter dogmatischer Glaubenssätze. Stoizismus betont die Eigenverantwortung und die Kontrolle über die eigenen Handlungen und Einstellungen.

Vernunft statt göttliche Offenbarung

Religionen haben oft auch eine soziale Komponenten, die sich um gemeinsame Rituale, Glaubensgemeinschaften und eine Hierarchie von Autoritätspersonen dreht, die die Gläubigen leiten. Es gibt Gebetsorte wie Kirchen und Moscheen. Stoizismus stützt sich hingegen weniger auf gemeinschaftliche Praktiken oder eine festgelegte Hierarchie, auch wenn Gemeinschaft natürlich auch im Stoizismus eine große Rolle spielt.   

Tugenden wie Dankbarkeit, Mitgefühl und Gerechtigkeit sind Stoikern ebenfalls sehr wichtig, allerdings sucht der Stoizismus eher nach innerer Stärke und Gelassenheit durch die Anwendung von Vernunft und ethischen Prinzipien, anstatt sich auf Glaubensinhalte oder göttliche Offenbarungen zu stützen. (Alles über die stoischen Tugenden und was sie ausmacht, erfährst Du hier.)

Drittens: Stoizismus ist keine Psychologie

Um ein besseres Verständnis für den menschlichen Geist und für sein Verhalten zu bekommen, erforscht die Psychologie u.a. Gedanken, Emotionen, Wahrnehmung, kognitiven Prozessen und Entwicklungsstufen. Sie stellt Theorien auf, führt Beobachtungen und Experimente durch, um zu Ergebnissen zu gelangen. Stoizismus tut nichts dergleichen.

Der Stoizismus bietet zwar Methoden, Lehren und Techniken zur Bewältigung von Emotionen und zur Entwicklung einer inneren Gelassenheit, jedoch beruhen diese auf philosophischen Überlegungen und nicht auf wissenschaftlichen Experimenten oder klinischen Studien.

Gutes Leben, statt objektiver Wahrheit

Kurz gesagt, während die Psychologie sich auf wissenschaftliche Untersuchungen der menschlichen Psyche stützt, bietet der Stoizismus ethische Prinzipien und philosophische Ansätze zur Bewältigung des Lebens, ohne jedoch eine empirische wissenschaftliche Disziplin zu sein. Allerdings gibt es wissenschaftliche Forschung, die belegt, dass stoische Methoden positive Effekte haben – dazu vielleicht ein andermal mehr.

Stoizismus ist jedenfalls keine Wissenschaft wie die Psychologie. Nicht messbare Wahrheiten zu ermitteln sind Ziele des Stoizismus, sondern ein gutes Leben. Insofern produziert Stoizismus auch kein Wissen, das sich objektiv überprüfen ließe, sondern er strebt – nach Erkenntnis.

Viertens: Stoizismus ist (k)eine Philosophie

Beziehungsweise keine Philosophie unter anderen.

Vielleicht ein wenig kontrovers. Die Stoiker haben sich nämlich als Philosophen verstanden, insofern ist Stoizismus und Philosophie für sie ein und dasselbe gewesen, die „Liebe zur Weisheit“. Also können wir sagen: Stoiker sind Philosophen, und Stoizismus ist Philosophie. Besonders macht den Stoizismus jedoch der starke Praxisbezug, der in der Antike die Regel war, in der heutigen Philosophie allerdings nicht mehr.    

Stoizismus als Lebensphilosophie: Ihre Lehren sind direkt auf den Alltag anwendbar. Sie bieten praktische Ratschläge, wie man mit Herausforderungen umgehen kann, sei es persönliche Konflikte, Verluste oder schwierige Entscheidungen – ob im Beruf oder privat.

Fokus auf das Hier und Jetzt

Stoizismus ist universell – nicht auf eine bestimmte Kultur oder Zeitperiode beschränkt. Die Grundprinzipien sind zeitlos und sind letztlich seit mehr als 2000 Jahren erprobt.

Und Stoizismus richtet den Fokus auf das Hier und Jetzt, betont die Bedeutung des gegenwärtigen Moments, und wie man ihn am besten nutzen kann, anstatt sich übermäßig auf die Vergangenheit oder die Zukunft zu konzentrieren.

Lust auf mehr?

Dann habe ich etwas für Dich…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert