Tue das, wenn Du beleidigt wirst, um Wut zu vermeiden

Einfach schweigen? Wirklich?

Aber das geht doch nicht, wenn jemand etwas wirklich Schlimmes zu Dir gesagt hat, denkst Du vielleicht.

Doch! Das geht. Und es ist sogar das beste, was Du tun kannst, wenn Dich jemand durch sein Handeln und Verhalten beleidigt und Du merkst, dass Wut in Dir aufsteigt.

In diesem Beitrag zeige ich Dir stoische Strategien, die Du einsetzen kannst, um einen gelassenen Umgang mit kleinen und großen Beleidigungen zu entwickeln und ich stelle Dir drei stoische Fragen vor, die Du Dir unbedingt stellen solltest, wenn Du beleidigt wirst.

Was sind Beleidigungen

Beleidigungen sind Instrumente anderer, uns aus der Fassung zu bringen und unsere innere Ruhe zu stören. Es handelt sich dabei um Herabsetzungen und Abwertungen, die durch eine Beleidigung mitgeteilt werden, also um starke Wertungen.

Formulierungen wie „Du Idiot“, „Trottel“, „Arschloch“ oder andere Kraftausdrücke sind offensichtlich und einfach zu erkennen. Auch einen ausgestreckten Mittelfinger versteht jeder und zeigt uns gleichzeitig die Kraft der Beleidigung: kleine Handbewegung, große Wirkung. Besser nicht ausprobieren.

Versteckte Beleidigungen, die Du kennen solltest

Während online verbale Frontalattacken und Hassrede ganz unverhohlen anzutreffen ist, scheint mir offline, also in unserem realen Leben, am Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis, die Zeit des offenen Pöbelns und Beleidigens eher rückläufig. Das ist einerseits gut, weil es zivilisierter zugeht – also zumindest vordergründig. Andererseits ist es dadurch komplizierter geworden, diese verdeckten Beleidigungen zu erkennen und mit ihnen umzugehen.

Zum Teil genügt ein einziger Blick. Eine bestimmte Miene, ein bestimmter Gesichtsausdruck, diese bestimmte Art du Weise auszuatmen und dabei den Kopf zu neigen – all das können Waffen sein, um andere zurechtzustutzen und abzuwerten. Heutzutage wird vor allem subtil und indirekt beleidigt. Kleine Mini-Manipulationen, die sich summieren.

Zweifelhafte Komplimente zum Beispiel wie „Du siehst aber richtig gut aus für einen Montagmorgen.“ Oder: „Nicht schlecht, das hätte ich so gar nicht erwartet von Dir.“  

Weit verbreitet ist auch der Erinnerungsruf an vergangene Fehltritte und eben das „typische Verhalten“. Zum Beispiel, wenn jemand etwas zu Dir sagt, wie „Na ja, nichts anderes sind wir von Dir gewohnt“ oder „So kennen wir Dich halt“.

Die Beleidigung als Kommentar ist ebenfalls allgegenwärtig: „Das wird aber auch Zeit“ oder „Endlich“ oder „Es geht doch“.

Verletzung und Schmerz – deshalb sind Beleidigungen so gefährlich

Beleidigungen werden gerne auch über Bande gespielt. Leute erzählen anderen Leuten etwas Schlechtes über Dich – oder deuten etwas Schlechtes gekonnt subtil an – , und diese Leute erzählen uns dann wiederrum davon. Die Beleidigung in Form der Stillen Post. Das Publikum und die Mitwisser sind bei diesem Spiel herzlich willkommen.

Dabei sind Beleidigungen alles andere als ein Spiel. Sie können bei Menschen einen langanhaltenden Schmerz auslösen, der über Jahre hinweg andauert und zu Verletzungen führt, die nur schwer heilen. Wer hier keine Schutzmechanismen zur Hand hat, ist potentiell gefährdet. Daher ist es auch so wichtig, sich Strategien zurechtzulegen.

Schutzschirm für unsere stoische Ruhe

Wir brauchen Strategien gegen die Wut, die in uns aufkommt, wenn wir beleidigt werden. Denn können wir keinen effektiven Schutzschirm um uns spannen, verlieren wir unsere innere Ruhe. Und ohne unsere innere Ruhe treffen wir unter Umständen schlechte Entscheidungen und Verhalten uns nicht so, wie wir es uns wünschen.

Wie können wir uns also innerlich verteidigen, so dass uns Beleidigungen nichts mehr anhaben können?

3 Fragen, die sofort helfen

Um Strategien gegen Beleidigungen zu entwickeln, helfen drei stoische Fragen. Sie leisten mir nach wie vor gute Dienste, um mit Beleidigungen umzugehen.

Frage 1: Stimmt es vielleicht?

Halte kurz inne und überlege, ob die Person, die Dich beleidigt, vielleicht richtig liegt.

Seneca sagt:

„Warum ist es eine Beleidigung, gesagt zu bekommen, was doch offensichtlich ist?“

Ist etwas Wahres dran an der Beleidigung, gibt es keinen Grund mehr wütend zu werden.

Frage 2: Wie gut ist derjenige informiert, der Dich beleidigt?

Vielleicht glaubt er wirklich, was er sagt, weil er falsch informiert ist und nicht deshalb, weil er Deine Gefühle verletzen will. Wenn das der Fall ist, liegt ein Missverständnis vor oder die Informationen sind nicht korrekt. Du kannst das dann berechtigen, wenn die Person zugänglich ist. Rechtfertigen brauchst Du Dich aber nicht. Und einen Grund wütend zu werden hast Du auch nicht, da ein Mangel an Wissen der Beleidigung zugrunde gelegen hat.

Frage 3: Was ist die Quelle der Beleidigung?

Überlege, was sind die Ursachen der Beleidigung.

Klingt banal, aber es gibt zum Beispiel Menschen, von denen möchtest Du kritisiert werden, weil es deren Job ist oder Du ihnen einen Auftrag gegeben hast, Dir gegenüber Kritik zu formulieren. Ein Lehrer, ein Mentor, ein Berater zum Beispiel. Oder es gibt Personen, die Du ausdrücklich um ihre Einschätzung und ihr Urteil gebeten hast. Wie irrational wäre es, deren Kritik als Beleidigung aufzufassen.

Das sind Quellen der Beleidigung, die Du respektieren kannst und solltest.

Der Punkt dieser Unterscheidung ist wichtig. Denn damit wird alles einfacher:

Kannst Du die Quelle einer Beleidigung nämlich NICHT respektieren, musst Du Dich von der Beleidigung auch NICHT getroffen fühlen. Sie ist für Dich wertlos. Du kannst sie an Dir vorbeiziehen lassen. Sie ist bedeutungslos. Und was bedeutungslos ist, dem schenkst Du keinerlei Aufmerksamkeit.

Wer beleidigt verdient Mitgefühl

Wenn ein Mensch nicht einverstanden ist mit dem, wer Du bist, mit dem, was Du sein willst, mit Deiner Entwicklung insgesamt und derjenige Dich deshalb beleidigt, dann hast Du Deine Schlüsse daraus ziehen. Und mehr noch als das: Du kannst sogar erleichtert sein. Sehr wahrscheinlich bist Du bereits auf dem richtigen Weg.

Beleidigungen verraten am meisten über denjenigen, der sie äußert. Auf die negativen Quellen derjenigen, die beleidigen, hast Du keinen Einfluss. Sie brauchen Dich nicht zu sorgen.

Wer aus niedrigen Motiven beleidigt, verdient unser Mitgefühl, nicht unsere Wut.

Marcus Aurelius sagt:

„Wenn Dich jemand versucht zu beleidigen, so sieh Dir seine Seele an. Sieh Dir an, was für ein Mensch er ist. Du wirst feststellen, dass es nicht nötig ist, sich anzustrengen, um ihn zu beeindrucken.“

Will heißen: Es lohnt sich nicht. Du hast auf Deinem stoischen Weg besseres zu tun, als auf Beleidigungen einzusteigen.

Deine Meinung und Deine Reaktion auf die Beleidigung haucht dieser überhaupt erst Leben ein.

Epiktet sagt:

„Sei Dir dessen bewusst, dass nicht derjenige Dich verletzt der Dich beschimpft; es ist vielmehr Deine Meinung, dass diese Leute Dich verletzen. Denn Dir wird kein anderer Schaden zufügen, wenn Du es nicht willst.“

Du hast es in der Hand, ob eine Beleidigung eine Beleidigung sein soll oder nicht. Du selbst kreierst die Beleidigung. Ein Schaden entsteht erst dann, wenn Du annimmst, geschädigt worden zu sein (Lies dazu auch meinen Artikel „Unbeirrt bleiben: 5 stoische Strategien, um mit der Meinung anderer umzugehen„.) Wenn Dich Kleinigkeiten in Rage bringen, lohnt es sich hier anzusetzen und sich zu hinterfragen: Habe ich die richtigen Werte gewählt oder muss ich etwas ändern?

Wie reagieren, wenn Du reagieren musst

Ich finde, das ist der wirklich nachhaltige Ansatz mit Beleidigungen umzugehen. In vielen Ratgebern kannst Du nachlesen, wie man angeblich Schlagfertigkeit gewinnt, kluge Konter formulieren lernt und so weiter und so fort. Meine Erfahrung ist aber eine andere. Diese Schlagfertigkeit braucht viel Übung und so ein Konter führt meist zu noch mehr Beleidigungen.

Bei Marcus Aurelius heißt es:

„Die beste Art sich zu rächen, ist es seinen Feinden nicht gleich zu tun.“

Humor ist ein mögliches Mittel, insbesondere dann, wenn Du öffentlich beleidigt wurdest und gezwungen bist zu regieren.  

Wie Sokrates auf eine Backpfeife reagiert hat

Seneca berichtet an einer Stelle von einer Reaktion Sokrates‘ auf eine handfeste Beleidigung. Jemand ging auf Sokrates zu und verpasste ihm ohne Vorwarnung eine schallende Ohrfeige. Statt wütend zu werden, machte Sokrates einen Witz. Er meinte, es sei doch einfach nur lästig, dass man morgens, wenn man aus dem Haus gehe nie sicher sein könne, ob man einen Helm tragen sollte oder nicht.

Nicht schlecht oder. Humor und Selbstironie entwaffnen denjenigen, der beleidigt hat und stellen ihn in gewisser Weise bloß.

Wenn jemand zu Dir sagt, Du bist total abgehoben und weltfremd, dann könntest Du antworten:

„Also wenn Du meine Schwächen wirklich so gut kennst, wundert mich, dass Du ausgerechnet das ansprichst. Viel schlimmer sind doch meine Unpünktlichkeit und meine Arroganz.“

Wie gesagt, nur so zum Beispiel. Du tust damit das Gesagte ab und verlachst Dein Gegenüber. Du zeigst, dass Du ihn nicht ernst nimmst.

Das ist allemal besser als eine wütende Gegenbeleidigung oder als eine Rechtfertigung. Aber natürlich ist auch wiederum eine Reaktion. Und meistens fallen uns clevere Antworten erst Stunden später ein.

Weshalb die Nichtreaktion das beste Gegenmittel ist

Daher ist zu bevorzugen, keine Reaktion auf Beleidigungen zu zeigen. Das hat viele Vorteile. Die Nichtreaktion ist ganz simpel. Du musst einfach das Gesagte übergehen, so tun, als wäre die Beleidigung nicht gefallen und weitermachen, als wäre nichts gewesen. Das irritiert den Beleidiger und Du nimmst ihm auch ein stückweit das Vergnügen an der Sache.

Wie Feuer die Luft brauchen Beleidigungen immer eine Reaktion, um zu zünden. Mit der Nichtreaktion zeigst Du, dass Du die Person in diesem Punkt gar nicht wahrnimmst. Und wer wird schon gerne ignoriert.

Anders formuliert: Eine Beleidigung ist erst dann eine Beleidigung, wenn der Beleidigte die Beleidigung auch als Beleidigung betrachtet und dem entsprechend, nämlich wütend, reagiert.

Die Nichtreaktion zeigt: Wir haben keine Zeit und keine Lust, auf eine kindische Bemerkung einzusteigen.

Die stoischen Tugenden und das Prinzip der Gelassenheit sind uns wichtiger.

Unsere Seelenruhe ist uns wichtiger.

Wir sind uns wichtiger.

Bild von Jerzy Górecki auf Pixabay

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