Wenn Du etwas rumgoogelst, wirst Du schnell Videos und Posts entdecken, die sich kritisch mit dem Stoizismus auseinandersetzen.
Es gibt eine Reihe von Missverständnissen rund um die stoische Philosophie. Teilweise dominieren Mythen und falsche Interpretationen. Teilweise wird auch einfach nur boshaft etwas unterstellt.
Egal wie, hier nenne ich die häufigsten Stoizismus-Vorurteile und versuche Dir jeweils ein paar gute Gründe dafür zu nennen, weshalb diese Kritik am Stoizismus nichts taugt.
Wir werden einige dieser Vorurteile entlarven und herausfinden, warum der Stoizismus weit mehr ist als seine Kritiker behaupten.
Kritik 1: Stoiker sind emotionslos
Kontrolle über die eigenen Emotionen zu erlangen, ist ein wesentliches stoisches Ziel.
Eines der häufigsten Missverständnisse über den Stoizismus ist, dass er zu Emotionslosigkeit führt. Tatsächlich lehrt der Stoizismus jedoch, wie man Emotionen nicht unterdrückt, sondern kontrolliert.
Das bedeutet, dass Stoiker lernen, ihre Emotionen zu verstehen und sie rational zu lenken, anstatt von ihnen überwältigt zu werden.
Diese Kontrolle wird von Nicht-Stoikern fälschlicherweise als Emotionslosigkeit interpretiert.
Kritik 2: Stoiker sind egoistisch
Das Gegenteil ist richtig: Stoiker lieben die Gemeinschaft.
Stoiker stellen ihre Beziehungen zu anderen Menschen in den Mittelpunkt ihres Tuns. Die Gleichwertigkeit der Menschen und die Bedeutung von guten Verbindungen untereinander ist ihnen über alle Maßen wichtig. Der Mensch ist nur da Mensch, wo er Gemeinschaften bildet.
Nicht Geld und Ruhm sind von Bedeutung. An kurzfristiger Befriedigung hat der Stoiker kein Interesse, vermeidet sie, denn er weiß, dass nur Tiefe – nicht das Oberflächliche – Relevanz besitzt.
Die Natur spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle im Stoizismus. Die Achtung allen Lebens beispielsweise.
Kritik 3: Stoiker sind gleichgültig
Ein weiteres Vorurteil gegenüber dem Stoizismus ist die vermeintliche Gleichgültigkeit gegenüber anderen. Stoiker betonen Empathie und Mitgefühl, erkennen jedoch an, dass sie keine Kontrolle über die Handlungen anderer haben. Ihre innere Ruhe hängt nicht von den Handlungen anderer ab.
Sein Handeln und Verhalten unabhängig zu machen vom Handeln und Verhalten anderer legen viele als Gleichgültigkeit aus. Das ist aber falsch. Stoiker besitzen einen klaren Kompass.
Kritik 4: Stoiker sind passiv
Stoiker werden oft als passiv betrachtet, die alles akzeptieren, ohne sich zu wehren.
Im Gegenteil: Der Stoizismus ermutigt zur aktiven Teilnahme am Leben und zur Veränderung von Dingen, die in unserer Kontrolle liegen, während man gleichzeitig akzeptiert, dass es viele Dinge gibt, die außerhalb unserer Kontrolle liegen.
In Wahrheit sind Stoiker Macher. Stoizismus ist ausdrücklich keine Schreibtisch-Philosophie, sondern eine praktische. Stoisch ist nur derjenige, der seine philosophischen Überzeugungen in der Praxis – also im Alltag, im Beruf, im Umgang mit anderen etc. – tagtäglich anwenden.
Kritik 5: Stoiker sind nihilistisch
Ein weiteres Vorurteil gegenüber dem Stoizismus ist, dass er zu einem nihilistischen Lebensgefühl führt, bei dem nichts eine Bedeutung hat.
Tatsächlich betont der Stoizismus die Wichtigkeit von Tugend, Weisheit und einem sinnvollen Leben, basierend auf dem Streben nach moralischer Exzellenz.
Alles hat Bedeutung. Ob wir es wollen oder nicht sind wir als Mensch mit Natur und Umwelt sowie mit unseren Mitmenschen verbunden.
Auch dieser Vorwurf ist von der Wahrheit weit entfernt.
Kritik 6: Stoiker haben keine Lebensfreude
Der Stoizismus wird manchmal als lebensfeindlich angesehen, weil er die Bedeutung von äußeren Vergnügungen relativiert.
Stoiker glauben jedoch, dass wahre Freude aus innerer Ruhe und Zufriedenheit kommt, die unabhängig von äußeren Umständen ist.
Kurzfristige Bedürfnisbefriedigung – wie beispielsweise Konsum – ist nicht nachhaltig. Echte tiefgründige Erlebnisse und Momente – zumal geteilt mir anderen – zeichnen uns als Menschen aus.
Dass Stoiker sich abhärten und versuchen, sich stets auf die schwierigen Dinge im Leben bestmöglich vorzubereiten – anstatt wie andere das Leben einfach mal zu genießen – wird außerdem oft als lebensfeindlich interpretiert.
Kritik 7: Stoizismus ist gar keine richtige Philosophie
Man hört auch, dass Stoizismus keine ins sich geschlossene Philosophie sei. Insofern sei sie auch nicht zu erlernen.
Richtig daran ist, dass des „den“ Stoizismus nicht gibt. Stoizismus ist keine Ideologie aus einem Guss. Es sind in der Praxis gewonnene Lebenserkenntnisse und Grundsätze, die ihre Gültigkeit über Jahrhunderte hinweg bewiesen haben.
Anders als die vielen politischen und religiösen Ideologien erhebt der Stoizismus keinen Welterklärungsanspruch. Nicht Dogmatismus, sondern Pragmatismus, Lebensnähe, Lebensfreude und Lebensbejahung zeichnen den Stoizismus aus.
Als die Stoiker lebten, gab es das Wort Stoizismus noch gar nicht. Stoizismus war gleichbedeutend mit dem Philosophieren insgesamt. Wer Stoiker war, war Philosoph.
Foto: Bild von 422737 auf Pixabay
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