Irgendwann kommt der Moment, in dem wir uns bei Sonnenuntergang auf eine Bank setzen und auf unser Leben Rückschau halten werden.
Das hoffen wir zumindest. Denn wer wünscht sich nicht ein langes und gutes Leben. 😉
Dein Fahrplan für mehr innere Ruhe und stoische Gelassenheit
Wenn es Dir so geht wie mir, dann möchtest Du sicher auch im Alter gemütlich und zufrieden in der Sonne sitzen und sagen können, dass Du trotz allem bestmöglich gelebt hast.
Wie das gelingt, beschreiben die Stoiker mit den stoischen Tugenden.
Die Stoiker beschreiben sie nicht nur, sie geben uns auch klare Anleitungen an die Hand.
In der stoischen Philosophie existiert so etwas wie ein Fahrplan für ein gutes Leben. Die Stoiker sind überzeugt, dass vier Tugenden dafür von besonders großer Bedeutung sind. Diese Tugenden sind Weisheit, Mut, Disziplin und Gerechtigkeit.
Das Streben nach einem tugendhaften Verhalten kennzeichnet die stoische Lebensweise, die uns innere Ruhe, Glück und Gelassenheit bringt.
Was genau die vier Tugenden im Stoizismus besagen, erfährst Du in diesem Artikel. Am Ende ergibt sich daraus der wohl wichtigste stoische Leitsatz für ein gutes Leben.
Das höchste Gut der Stoiker: Seelenruhe
Die Stoiker haben bereits vor mehr als 2000 Jahren Antworten gegeben, wie ein gutes Leben aussehen sollte.
Für sie sind die vier stoischen Tugenden der Schlüssel zu einem Leben in Übereinstimmung mit der Natur und zur Erreichung von innerem Frieden und Gelassenheit. Diese Tugenden müssen unser Handeln und Verhalten, unser Denken, letztlich unser gesamtes Leben prägen, damit sie mit dem Zustand des Glücks (griechisch Eudaimonia) und der Gelassenheit im Leben (griechisch Ataraxia) im gemeinsamen Zusammenspiel ein gutes, bestmögliches Leben ergeben. Denn die Seelenruhe ist das höchste Gut im Stoizismus.
Die stoischen Tugenden werden Dir, wenn Du Dich mit Stoizismus beschäftigst, daher immer wieder begegnen. Deshalb ist es auch so wichtig zu verstehen, was genau sie besagen.
Was bedeutet tugendhaft?
Zunächst klingt das Wort Tugendhaftigkeit in meinen Ohren erstmal altbackend und irgendwie betulich. Was genau damit gemeint ist, was Tugendhaftigkeit umfasst, ist nicht sofort klar.
Im Stoizismus ist Tugendhaftigkeit in der Tat ein Sammelbegriff für vier Bestandteile, nämlich für die stoischen Tugenden: Weisheit, Gerechtigkeit, Disziplin und Mut.
Das heißt, wer weise, gerecht, diszipliniert und mutig handelt, der handelt den Stoikern zufolge gut und wer gut handelt, der führt ein gutes Leben.
Diese Vierteilung haben nicht die Stoiker erfunden. Sie geht zurück auf Sokrates und Platon, die wohl bekanntesten antiken griechischen Philosophen. Die Stoiker haben die einzelnen Tugenden jedoch spezifisch ausgelegt, eben stoisch.
Insofern handelt es sich also auch bei den stoischen Tugenden selbst um Sammelbegriffe. Unter Weisheit, Mut, Disziplin und Gerechtigkeit versteht man im Stoizismus jeweils ein ganzes Set an verschiedenen Leitsätzen, Grundregeln und Überzeugungen sowie Regeln zur Lebensweise.
Was besagen die vier stoischen Tugenden?
Wie verhalten sich Stoiker? Was wollen Stoiker? Wonach streben Stoiker?
Die Antwort auf diese Fragen liegt in den stoischen Tugenden. Stoiker streben danach, ein tugendhaftes Leben zu führen, also nach den vier stoischen Tugenden zu denken und zu handeln.
Also schauen wir uns die vier stoischen Tugenden der Reihe nach an, um zu verstehen, wie die Stoiker sie jeweils definieren.
Weisheit (griechisch: sophia)
Sehen, was ist. Erkennen, was passiert. Wahrnehmen, was geschieht. So lässt sich zusammenfassen, was die Stoiker unter Weisheit verstehen. Weise ist demnach, wer die Natur der Welt versteht und im Einklang mit ihr in der Lage ist, vernünftige Entscheidungen zu treffen und zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
Um diese Weisheit zu erlangen, ist es unabdingbar, im allerersten Schritt ein möglichst glasklares Bild der Wirklichkeit zu erlangen. Darauf legen die Stoiker sehr großen Wert.
Sie wissen auch, wie schwierig das ist. Emotionen gären in uns, andere Menschen täuschen uns, die eigenen Erwartungen, Hoffnungen und Projektionen begrenzen unser Sichtfeld und verzerren unsere Wahrnehmung. Dass vollständige Weisheit – so etwas wie Erleuchtung – angesichts dieser menschlichen Limitationen (und Fehler) erreicht werden kann, ist für Stoiker nicht denkbar. Allerdings müssen wir danach bestmöglich streben – und genau dafür verfügt der Mensch über gute Möglichkeiten: zwischen Fakten und Standpunkten zu unterscheiden beispielsweise.
„Alles, was wir hören, ist eine Meinung, keine Tatsache. Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive, nicht die Wahrheit.“
Marcus Aurelius
Auch die konsequente Loslösung von den Meinungen anderer ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um seine eigene Situation so gut es geht zu identifizieren (und dann im Anschluss idealerweise bestmögliche Entscheidungen zu treffen, da die Basis der Entscheidung der Wahrheit möglichst nahegekommen ist).
„Wie Du über Dich selbst denkst, ist viel wichtiger als das, was die anderen denken.“
Seneca
Wie Du das schulen kannst, zeige ich u.a. in meinem E-Mail-Kurs „Stoizismus für Anfänger„, für den Du Dich hier einfach eintragen kannst.
Wir können festzuhalten, dass der Weg zur stoischen Weisheit vor allem mit Dir selbst zu tun hat, wie Du die Dinge siehst und bewertest.
Weisheit wird nicht von Gott gegeben, kann auch nicht durch Wissen angelesen werden, kann Dir keine außenstehende Person eintrichtern, sondern entsteht in Deinem Kopf. Eine positive Botschaft. Denn damit hast Du alle Möglichkeiten, egal in welcher Situation Du Dich auch befinden magst, sofort nach stoischer Weisheit zu streben und sie auch bestmöglich erreichen zu können.
Du hast aber nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht, würden Stoiker hinzufügen, die hier den Menschen auch in der Verantwortung sehen, seinen Beitrag zu leisten: Möglichst viele Weise fördern eine möglichst weise Gemeinschaft.
Mut (griechisch: andreia)
Das Richtige auch gegen Widerstände zu tun, ist oft nicht einfach. Es erfordert viel Mut.
Ohne diesen Mut sind alle schönen Vorsätze hinfällig. Es kann sich keine Entwicklung vollziehen. Ohne Mut herrscht Stillstand. Daher ist Mut als stoische Tugend eine so zentrale Größe.
Mut beinhaltet die innere Stärke, mit den Herausforderungen und Widrigkeiten des Lebens umzugehen und Ängste zu überwinden. Es geht darum, mutig zu sein – sowohl physisch als auch emotional.
„Man entwickelt keinen Mut, wenn alles gut läuft. Mut entsteht, wenn man schwierige Zeiten übersteht und Widrigkeiten trotzt.“
Epiktet
Dem Zitat kannst Du entnehmen, dass die Stoiker Schwierigkeiten im Leben konsequent als Gelegenheiten ansehen, Mut zu beweisen. Sie beschönigen nicht, dass Krisen schmerzen. Sie betonen allerdings, dass aus Rückschlägen Wachstum werden kann, wenn wir Mut an den Tag legen.
Leider halten uns Ängste und irreale Vorstellungen häufig zurück, unsere Träume umzusetzen. Lieber nichts tun, als das falsch zu tun, spukt es in unseren Köpfen. Unser Bedürfnis nach Sicherheit gaukelt uns etwas vor und blockiert uns. Einerseits verharren wir in der Passivität, die uns unseren Zielen kein Stück näherbringt und über die Zeit Unzufriedenheit in uns auslöst. Andererseits raubt uns die Angst, etwas Falsches zu tun jede Gelegenheit auf neue Herausforderungen, bei denen wir unseren Mut unter Beweis stellen könnten. Daher ist Mut die Befreiung und Überwindung der eigenen Ängste und Sorgen ungeachtet des Ergebnisses.
„Wer Großes versucht, ist bewundernswert, auch wenn er fällt.“
Seneca
Nicht das Scheitern, sondern das ängstliche Verharren ist abzulehnen.
Gerechtigkeit (griechisch: dikaiosyne)
Häufig werden Stoiker als kalt beschrieben. Sie würden nur an sich selbst denken. Sie wären egoistisch und verfolgten mit aller Härte allein ihre eigenen Interessen. Das ist aber falsch.
Gerechtigkeit spielt eine zentrale Rolle im Stoizismus und bildet eine stoische Tugend. Und sie vollzieht sich für Stoiker zwingend im Einklang mit der Gemeinschaft.
Stoiker sehen den Einzelnen als Teil einer Gemeinschaft. Es besteht eine Verbundenheit untereinander. Menschen sind soziale Wesen und insofern aufeinander angewiesen. Daher ist es ihre Aufgabe, etwas zu dieser Gemeinschaft beizutragen. Durch den Beitrag zur Gemeinschaft profitieren der einzelne Mensch sowie die Gemeinschaft gleichermaßen.
„Habe ich etwas für die Gemeinschaft getan? Wenn ja, habe ich zu meinem eigenen Vorteil gehandelt.“
Marcus Aurelius
Das beinhaltet die Pflicht, anderen gegenüber fair und gerecht zu handeln. Es bedeutet, das Richtige zu tun, unabhängig von den eigenen Interessen sowie die Gesetze der Vernunft und der Gemeinschaft zu respektieren.
Helfen ist dabei selbstverständlich. Man hilft aber nicht, um sich dadurch moralisch zu erheben oder eigenes Ansehen zu gewinnen. Man hilft, weil man weiß, dass man Teil eines großen Ganzen ist und sich damit selbst etwas Gutes tut.
„Was dem ganzen Bienenstock nicht zuträglich ist, das ist auch für die einzelnen Biene nicht gut.“
Marcus Aurelius
Diese Einsicht in die Verbundenheit eines jeden Einzelnen von uns mit der Gemeinschaft aller kennzeichnet das Denken der Stoiker, wie Gerechtigkeit im Alltag zu leben ist.
Wichtig ist dabei auch der Verzicht auf Rache. Die beste Revanche ist es, nicht so zu sein, wie derjenige, der Dir Schaden zugefügt hat, sind Stoiker überzeugt.
Disziplin (griechisch: sophrosyne)
Bei der vierten Tugend geht es um Mäßigung, Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Genügsamkeit, Durchhaltevermögen, Gründlichkeit und die Fähigkeit, Hindernisse zu überwinden. Dies alles fasse und verstehe ich unter dem Begriff Disziplin.
Du siehst, die Tugend der Disziplin umfasst damit sehr viel mehr und zudem etwas anderes als Härte und Gehorsam. Auch hier wird der Stoizismus zuweilen missverstanden.
Stoische Disziplin erdet. Sie beinhaltet die Fähigkeit, Impulse und Begierden zu kontrollieren, um ein ausgewogenes und harmonisches Leben zu führen. Es geht darum, sich nicht von Leidenschaften und kurzfristigen Verlangen in den Griff nehmen zu lassen, sondern im Einklang mit der Vernunft zu handeln, also Maß und Mitte halten.
„Wer keine Selbstbeherrschung hat, lebt orientierungslos und voller innerer Unruhe.“
Seneca
Disziplin spendet diese Ruhe, die unabdingbar ist, um den eigenen Kurs im Leben zu bestimmen. Sie ermöglicht es, mit Rückschritten, die kommen genauso umgehen zu können, wie mit Erfolgen, die sich einstellen. Denn Stoiker vertreten die Auffassung, dass nicht nur vermeintliche Niederlagen im Leben oftmals überbewertet werden, sondern auch vermeintliche Leistungen und Erfolge.
„Was Du für den Gipfel hältst, ist nur eine Stufe.“
Seneca
Unter Disziplin wird insbesondere die Fähigkeit verstanden, Hindernisse zu überwinden, um den eigenen stoischen Weg ausdauernd und beharrlich in der Praxis zu gehen – auch und gerade in schwierigen Zeiten. Dabei Frustrationen zu tolerieren, Probleme zu lösen und daran zu wachsen, nicht zu zerbrechen. Das kennzeichnet stoische Disziplin.
Der wichtigste stoische Leitsatz für ein gutes Leben
Das also sind die vier stoischen Tugenden für ein gutes Leben.
Wir können sie so zusammenfassen: Wenn Du Dich darauf konzentrierst, vernünftig und naturgemäß zu leben (Weisheit), entgegen Deiner Ängste und Sorgen zu handeln (Mut), Dich mit anderen Menschen gemeinschaftlich verbindest (Gerechtigkeit) sowie nach Ausgeglichenheit und Beharrlichkeit strebst (Disziplin), dann wirst Du ein gutes Leben führen.
Und damit kennen wir nun die magische Formel und die stoischen Tugenden – na ja, zumindest theoretisch. 😉
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